Gesetzesänderungen ab 28.05.2022 – Was ist zu beachten?

Am 28.05.2022 treten die letzten neuen Regelungen der Richtlinie (EU) 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union in Kraft. Diese Richtlinie wird auch „Omnibus”-Richtlinie genannt, deren Umsetzung in nationales Recht nunmehr zum 28.05.2022 ohne Übergangsfristen erfolgt. Die deutsche Umsetzung in nationales Recht erfolgte durch zwei Gesetze im Juni 2021.

Neu im deutschen Recht geschaffen werden u.a. neue Bußgeldvorschriften zulasten von Unternehmern bei Verstößen gegen wettbewerbsrechtliche Normen und Schadensersatzansprüche zugunsten von Verbrauchern gegenüber Unternehmern.

Sofern Änderungen an den entsprechenden Rechtstexten in den Online-Shops oder den allgemeinen AGB erforderlich sind, stellen wir diese den von uns betreuten Unternehmen automatisch und fristgerecht zur Verfügung.

1. Änderungen des Widerrufsrechts bei Verträgen über Dienstleistungen und digitale Inhalte

Die Änderung des Widerrufsrechts betrifft Verbraucherverträge, die die Erbringung von Dienstleistungen oder die Lieferung digitaler Inhalte ohne Zahlungspflicht zum Gegenstand haben.

Das Widerrufsrecht für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen erlischt mit vollständiger Erbringung der Leistung. Die Regelung erfasst auch Verträge, für die der Verbraucher als Gegenleistung nur personenbezogene Daten zur Verfügung stellt.

Stichwort: „Zahlung mit persönlichen Daten“. Das Widerrufsrecht für Verträge, für die eine Gegenleistung vereinbart wurde, bleibt hingegen von den Änderungen unberührt.

Für Verträge über digitale Inhalte, die nicht auf einem dauerhaften Datenträger geliefert werden, erlischt das Widerrufsrecht mit Beginn der Vertragserfüllung. Wenn eine Gegenleistung vereinbart wurde, erlischt das Widerrufsrecht nur, wenn der Verbraucher der Erfüllung während der Widerrufsfrist ausdrücklich zugestimmt hat und der Unternehmer dem Verbraucher diese Zustimmung – je nach Art des Vertragsschlusses – gemäß § 312f BGB ausdrücklich bestätigt hat.

Diese betrifft im Wesentlichen den Download von Software. Betroffen sind hierbei ausdrücklich auch Apps (Software) die als Zusatzleistung zu technischen Geräten zur Verfügung gestellt werden. (z.B.: Überwachungs-, Berechnungs-, oder Auswertungssoftware für technische Geräte).

2. Änderung von Muster-Widerrufsbelehrung und Muster-Widerrufsformular

Die Muster-Widerrufsformulare und Muster-Widerrufsbelehrungen werden angepasst:

In der Muster-Widerrufsbelehrung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge wird der Hinweis auf eine Kontaktaufnahme bzw. eines Widerrufs per Telefax gestrichen. Ebenso ist im Muster-Widerrufsformular keine Faxnummer mehr anzugeben.

Die Telefonnummer muss hingegen in der Widerrufsbelehrung nunmehr zwingend angegeben werden.

Die Anpassungen müssen zum 28. Mai 2022 erfolgen.

Bei einem Verstoß gegen die Vorgaben verlängert sich die Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB auf maximal zwölf Monate und 14 Tage. Zudem muss der Unternehmer mit wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen, wie etwa Abmahnungen, rechnen.

3. Änderungen des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb)

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) wurde geändert.

Unternehmer müssen für mehr Transparenz und Wahrhaftigkeit hinsichtlich ihrer Kundenbewertungen, der angebotenen Produkte sowie ihrer Rolle in der Vertragsabwicklung Sorge tragen. Es soll die Täuschung von Verbrauchern durch gefälschte, gekaufte oder in sonstiger Weise unrichtige „Bewertungen“ unterbunden werden.

Hierzu wurde die sog. “Schwarze Liste” des UWG (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG) angepasst. Alle Handlungen auf dieser Liste sind ohne Ausnahme schlicht und einfach unzulässig.

Alle Handlungen im Zusammenhang mit verdeckter Werbung in Suchergebnissen, dem Weiterverkauf von Eintrittskarten und der unzutreffenden Darstellung von Verbraucherbewertungen sind nun ausdrücklich untersagt. Etwaige Werbemaßnahmen sind zu überprüfen.

a) Irreführung durch Verschleierung von “Dual Quality”

Die neue Regelung des § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG sieht vor, dass die Vermarktung einer Ware als identisch mit einer in anderen EU-Mitgliedstaaten bereitgestellten Ware unzulässig ist, wenn sich die Waren wesentlich unterscheiden. Eine solche Unterscheidung muss entweder durch berechtigte und objektive Faktoren gerechtfertigt oder für den Verbraucher klar erkennbar sein.

Beispiel: Ein Set für einen Akkuschrauber wird für den französischen Markt in einer anderen Qualität (stärkerer Akku; Ersatzakku; Bit-Set mit gehobener Qualität) hergestellt und angeboten. In Deutschland ist das ähnliche Set für einen geringeren Preis für die Vermarktung in der Qualität reduziert, auf den ersten Blick aber „identisch“.

Der Betreiber eines Webshops, der auf Verbraucher in Deutschland ausgerichtet ist, übernimmt die Produktbilder und die Produktbeschreibung dieses Sets aus dem Webkatalog eines Webshops aus Frankreich, übersetzt die Beschreibung mittels eines Web Translators und veröffentlicht diese in seinem Webshop. Der deutsche Webshop weist auf diesen bedeutsamen Unterschied der Ware zur französischen Ware nicht hin, so dass davon ausgegangen werden muss, dass der Betreiber des Webshops gegen das Vermarktungsverbot für wesentlich unterschiedliche Waren als identische Waren verstößt.

Daraus folgt, dass die Produktbilder und Beschreibungen, auch die von den Herstellern dem Unternehmer zur Verfügung gestellten, bei solchen Warengruppen und Artikeln überprüft und angepasst werden müssen.

b) Irreführung durch Unterlassen

Nach § 5a UWG liegt eine Irreführung durch Unterlassen vor, wenn der Unternehmer dem Verbraucher Informationen vorenthält, die für dessen geschäftliche Entscheidung wesentlich sind. Welche Informationen wesentlich sind, ist in dem neu eingeführten § 5b UWG konkretisiert.

Das Weglassen von Informationen – auch in der Produktbeschreibung – ist nun ausdrücklich wettbewerbswidrig.

aa) Kundenbewertungen

Der Unternehmer muss darüber informieren, ob und wie er sicherstellt, dass Kundenbewertungen von Verbrauchern verfasst wurden, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben. Dies gilt nur für Bewertungen, die der Unternehmer selbst zur Verfügung stellt und nicht für solche, die von Dritten erhoben wurden und auf die der Unternehmer lediglich verweist. Aber Achtung: Wenn Dritte im Auftrag des Unternehmers handeln, Stichwort „Influencer“ kann dieses zur Haftung führen. Es reicht jede direkte oder indirekte Vergünstigung für den „Influencer“ aus.

bb) Unternehmereigenschaft

Betreiber von Online-Marktplätzen werden verpflichtet, darüber zu informieren, ob es sich nach der eigenen Erklärung des Anbieters um einen Unternehmer handelt, damit für den Verbraucher die Eigenschaft eines etwaigen Vertragspartners erkennbar ist.

cc) Ranking von Online-Suchergebnissen

Unternehmer, die eine Suchfunktion für Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Anbieter bereitstellen, müssen über Auswahl und Gewichtung der Hauptparameter des Rankings informieren (§ 5b Abs. 2 S. 1 UWG). Auch versteckte Werbung darf keinen Einfluss auf das Ranking haben (Nr. 11a des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG). Auf diese Weise soll die Platzierung der Angebote transparenter werden, die erhebliche Auswirkungen auf geschäftliche Entscheidungen von Verbrauchern hat. Erfasst sind alle Vergleichsportale oder Online-Marktplätze, nicht aber reine Online-Suchmaschinen.

4. Informationspflichten nach Art. 246d EGBGB

Auch die Informationspflichten von Betreibern eines Online-Marktplatzes wurden ausgeweitet, § 312k Abs. 1 BGB n. F. i. V. m. Art. 246d EGBGB. Bei Zuwiderhandlungen sind nunmehr hohe Bußgelder möglich.

Der Betreiber eines Online-Marktplatzes muss künftig über die Hauptparameter für die Festlegung des Rankings der vorgeschlagenen Produkte infolge einer Suche sowie über die relative Gewichtung dieser Parameter informieren.

Auch wenn diese Vorschrift auf den ersten Blick nur für die Betreiber einer Online-Plattform zu gelten scheinen, ist zu erwarten, dass diejenigen Online-Händler, die auf der erkennbar rechtswidrigen Plattform aktiv werden, ebenfalls haften.

Damit Verbraucher erkennen können, ob ihnen die Verbraucherrechte zustehen, müssen die Betreiber eines Online-Marktplatzes kennzeichnen, ob die von ihnen angebotenen Produkte von einem privaten oder einem gewerblichen Anbieter stammen.

5. Neue Bußgeldvorschriften im UWG und EGBGB

a) § 19 Abs. 1 UWG

Das neue Bußgeld nach  § 19 Abs. 1 UWG bei Verletzung von Verbraucherinteressen.

Bußgelder können nunmehr – neben der Verfolgung durch Abmahnungen (!) – verhängt werden, wenn eine unlautere geschäftliche Handlung i. S. d. § 5c Abs. 2 UWG vorliegt, die Verbraucherinteressen verletzt.

Umfasst sind insbesondere alle Verstöße gegen:

  • die Blacklist (Nr. 1 bis 31 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG),
  • aggressive geschäftliche Handlungen nach § 4a Abs. 1 S. 1 UWG,
  • irreführende geschäftliche Handlungen nach § 5 Abs. 1 oder § 5a Abs. 1 UWG
  • sowie fortgesetzte unlautere geschäftliche Handlungen, die bereits gerichtlich untersagt wurden.

Erfasst sind nach dem Wortlaut nur “weitverbreitete Verstöße” und “weitverbreitete Verstöße mit Unions-Dimension”. Hierzu muss eine grenzüberschreitende Handlung gegen Unionsrecht zum Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen in mindestens drei Mitgliedstaaten verstoßen. Die Anforderung ist beispielsweise erfüllt, wenn irreführende Werbung bestimmungsgemäß in mehreren Mitgliedsstaaten abrufbar ist oder wenn der Anbieter eines Onlineshops die Lieferung an Verbraucher in andere Mitgliedsstaaten ermöglicht. Ein Verstoß hat “Unions-Dimension“, wenn mindestens zwei Drittel der Mitgliedstaaten und zwei Drittel der Bevölkerung der EU betroffen sind.

Die Höhe des Bußgelds richtet sich nach dem Jahresumsatz des Unternehmens in dem Mitgliedsstaat, in dem die Verletzung erfolgt. Das Bußgeld ist ab einem Umsatz von EUR 1,25 Mio. auf 4 % des Jahresumsatzes beschränkt. Für handelnde Personen gilt eine Höchstgrenze von EUR 50.000,00, sofern die betroffene Person nicht zugleich der Unternehmer ist.

Die Durchsetzung dieser Bußgelder ist jedoch eingeschränkt, da die Verstöße nur im Rahmen einer koordinierten Durchsetzungsmaßnahme der Mitgliedsstaaten geahndet werden können.

Nicht beschränkt ist das Vorgehen durch Abmahnungen. Solche Maßnahmen können unter Umständen die Bußgeldverfahren blockieren.

Wichtig ist daher, dass der Unternehmer im Falle eines solchen Vorwurfs sofort juristischen Rat einholt, bevor Erklärungen abgegeben werden.

b) Art. 246e EGBGB (Bußgelder)

In Art. 246e § 1 Abs. 2 EGBGB findet sich jetzt eine Auflistung “weitverbreiteter Verstöße” im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen, wie etwa die Verwendung nach § 309 BGB unwirksamer AGB oder die unzureichende Beschriftung eines Bestellbuttons im elektronischen Geschäftsverkehr. Für solche Verstöße ist ein Bußgeld mit einer Höchstgrenze von EUR 50.000,00 vorgesehen.

Abmahnungen sind auch hier zusätzlich möglich.

6. Neuer Schadensersatz für Verbraucher

Ab dem 28.05.2022 kann ein Verbraucher Schadensersatz für unzulässige geschäftliche Handlungen verlangen, die der Unternehmer vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen hat. Voraussetzung ist ein Verstoß gegen § 3 UWG, infolge dessen der Verbraucher eine geschäftliche Entscheidung getroffen hat, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Ausgenommen sind Handlungen nach §§ 3a, 4 und 6 UWG.

Dem Unternehmer drohen bei Verstößen neben Unterlassungsklagen von Verbrauchern nun auch Schadensersatzklagen von Verbrauchern nach dem UWG. Es besteht nunmehr die Möglichkeit für den Verbraucher, die Aufhebung des Vertrags zu verlangen. Auf diese Weise kann sich der Verbraucher ohne Fristsetzung oder Nacherfüllungsverlangen vom Vertrag lösen.

Wir empfehlen dringend, Werbe- und Marketingmaßnahmen vor deren Umsetzung rechtlich prüfen zu lassen.

7. Änderungen der Preisangabenverordnung

Die nachstehenden Änderungen treten zum 28.05.2022 in Kraft.

a) Der Grundpreis muss künftig in der Mengeneinheit „1 Kilogramm bzw. 1 Liter“ sowie „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar” angegeben sein. Die Vorschriften (§§ 4, 5 Abs. 1 PAngV ) umfassen nun auch für Waren, deren Nenngewicht oder Nennvolumen üblicherweise 250 Gramm oder 250 Milliliter nicht übersteigen.

Erleichterungen gelten aber für den Verkauf leicht verderblicher Lebensmittel, wenn der Gesamtpreis wegen einer „drohenden Gefahr des Verderbs“ oder eines „drohenden Ablaufs der Haltbarkeit“ herabgesetzt wird.

b) Die Höhe eines Pfandbetrags ist neben dem Gesamtpreis anzugeben und nicht in den Gesamtpreis einzubeziehen.

c) Bei Preisermäßigungen („Streichpreise“, Preisgegenüberstellungen etc.), ist künftig bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung der vorherige Preis anzugeben. Dies ist der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung angewendet hat.

Bedeutung und Umsetzung in der Praxis:

  • Bei allgemeinen Bekanntgaben von Preisreduktionen ist der niedrigste Preis der letzten 30 Tage des beworbenen Produktes für alle Verkaufskanäle anzugeben.
  • Bei Preisreduktionen nur für einen Verkaufskanal ist der niedrigste Preis für das betreffende Produkt der letzten 30 Tage für den betroffenen Verkaufskanal anzugeben.
  • Gutscheine und Rabattcodes sind in der Regel kein „individueller Preis“, auch wenn diese – scheinbar- personalisiert verteilt werden.

Die Europäische Kommission hat einen Leitfaden für den sogenannten „Omnibus-Preis“ mit vielen Praxisbeispielen veröffentlicht. Diesen Leitfaden, der auch Grundlage für gerichtliche Entscheidungen werden dürfte, finden Sie hier: „Leitlinien zur Auslegung und Anwendung von Artikel 6a der Richtlinie 98/6/EG“.

d) Betreiber „öffentlich zugänglicher Ladepunkte“ für Elektromobile durch Verbraucher müssen am Ladepunkt den „Arbeitspreis je Kilowattstunde“ angeben. Alternativ genügt die „Abrufoption für eine Anzeige des Preises auf dem Display eines mobilen Endgerätes“.

Diese Vorschrift dürfte auch die Ladepunkte für Mitarbeiter umfassen, an denen nicht ausschließlich dienstlich genutzte Fahrzeuge aufgeladen werden können.

Die neuen Vorschriften sind teilweise recht „offen“ gestaltet und werden erst durch die Rechtsprechung konkretisiert werden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten zeitnah mit den neuen Vorschriften vertraut gemacht und geschult werden. Hierzu stellen wir kostengünstige Online-Schulungen zur Verfügung.

 

Für Rückfragen und Beratungen stehen wir jederzeit zur Verfügung.

 

GoldbergUllrich Rechtsanwälte PartG mbB 2022

Alexander Goldberg

Rechtsanwalt, Partner

Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Fachanwalt für Informationstechnologierecht

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