Viele Händler kommen um den Verkauf über einen Amazon Marketplace kaum herum. Bei einigen Händlern macht der Verkauf über einen Amazon Marketplace einen erheblichen Teil des Umsatzes aus. Für Händler kann es daher existenzbedrohend sein, wenn Amazon das Verkäuferkonto des Händlers deaktiviert, möglicherweise sogar ohne triftige Begründung. Das LG München I hat nun in einem Beschluss gegen diese Praxis klar Stellung bezogen und das Verhalten von Amazon als kartellrechtswidrig eingestuft.
Darf Amazon ohne Angabe von Gründen ein Konto sperren?
Ein Händler bot über seinen Amazon Marketplace u.a. Nahrungsergänzungs- und Schönheitsmittel an und erwirtschaftete damit im Jahr 2020 einen Umsatz von ca. 800.000,‑‑ €. Im Juli 2020 drohte Amazon die Sperrung des Verkäuferkontos an, weil der Händler angeblich eine Vergütung für Kundenrezensionen angeboten habe. Konkrete Beispiele nannte Amazon nicht. Anfang Dezember 2020 deaktivierte Amazon dann das Verkäuferkontos des Händlers. Auch hierbei wurden konkrete Gründe nicht genannt.
Auf den Hinweis des Händlers, dass er nicht wisse, um welche konkreten Vorwürfe es gehe und er daher nicht Stellung nehmen könne, reagierte Amazon nicht. Aus diesem Grund beantragte der Händler beim LG München I den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das LG München I gab diesem Antrag statt und begründete dieses Ergebnis mit einem kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 19 Abs. 2 Nr. 1, 20 Abs. 3 S. 1, 33 Abs. 1 S. 1 GWB.
Kann ich gegen Amazon vor deutschen Gerichten klagen?
Ein Problem war zunächst der Sitz von Amazon. Dieser liegt nämlich in Luxemburg, so dass Amazon die internationale und auch die örtliche Zuständigkeit rügte. Das LG München I sah sich nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO für international zuständig. Der Händler machte deliktische Ansprüche nach dem UWG und nach dem GWB geltend. Wettbewerbsbeeinträchtigungen können jedenfalls auch in Deutschland eintreten. Daher ist auch das Gericht am Sitz des Geschädigten international zuständig.
Das LG München I hielt sich nach § 32 ZPO auch für örtlich zuständig, weil die lauterkeitsrechtlichen und die kartellrechtlichen Ansprüche sich auch im Bezirk des LG München I ausgewirkt haben könnten.
Hat Amazon eine markbeherrschende Stellung?
Nach der Auffassung des LG München I hat Amazon eine markbeherrschende Stellung. Das LG München I stützte sich auf die Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 29.11.2018, auf das Verfahren der EU-Kommission zur E-Commerce Geschäftspraxis der Amazon Services Europe S.à.r.l. einschließlich auf die dazu ergangene Pressemitteilung der EU-Kommission vom 10.11.2020 und auf den Fallbericht des Bundeskartellamts vom 17.07.2019 (B2 – 88/18).
Hat Amazon seine markbeherrschende Stellung missbraucht?
Amazon hat den Händler durch die Sperrung seines Amazon-Marketplace-Kontos ohne zureichende Informationen über die Gründe der Sperrung unbillig behindert und dadurch seine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Angesichts der marktbeherrschenden Stellung von Amazon muss Amazon über die Aufnahme, die Beendigung oder die Einschränkung von Geschäftsbeziehungen diskriminierungsfrei und aus sachlichen Erwägungen heraus entscheiden. Die sofortige Sperrung von Marketplace-Konten war einer der kritischen Punkte, die das Bundeskartellamt zur Einleitung des Missbrauchsverfahrens veranlasst hatte (vgl. Fallbericht des Bundeskartellamts vom 17.07.2019 (B2 – 88/18).
Nach Auffassung des LG München I hätte Amazon den Händler vor einer Sperrung anhören und über die konkreten Vorwürfe informieren müssen. Dies ist nicht geschehen.
Kann ich im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen Amazon vorgehen?
Nach dem LG München I lag auch ein Verfügungsgrund vor. Dem Händler sei es nicht zuzumuten gewesen, den langen und mühseligen Weg eines Hauptsacheverfahrens zu beschreiten. In der Zeit des Hauptsacheverfahrens hätte der Händler über den Amazon Marketplace keine Umsätze erwirtschaftet, was für den Händler akut existenzgefährdend gewesen wäre.
Wir helfen Ihnen Ihr Verkäuferkonto bei Amazon zu entsperren
Eine Sache kann man deutlich sagen: Es lohnt sich, sich gegen eine Sperrung Ihres Amazon Verkäuferkontos zu wehren. Sofern es sich um eine unberechtigte Sperrung handelt, sollten Sie sofort anwaltlichen Rat einholen. Sollte Amazon die Sperrung Ihres Amazon Verkäuferkontos ausnahmsweise begründen, können Sie Amazon möglicherweise noch außergerichtlich davon überzeugen, die Sperrung aufzuheben. Hierzu müssen Sie einen detaillierten Maßnahmenplan erstellen und bei Amazon einreichen. In der Regel haben Sie für diesen Maßnahmenplan nur einen Versuch! Überzeugen Sie Amazon nicht, bleibt Ihr Verkäuferkonto gesperrt. Holen Sie sich daher unbedingt anwaltliche Unterstützung bei der Erstellung des Maßnahmenplans. Gerne unterstützen wir Sie und helfen Ihnen.
Quelle: LG München I, Beschluss vom 14.01.2021, Az. 37 O 32/21
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