Auskunftsanspruch gegen Facebook bei Persönlichkeitsrechtsverletzung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Rechtsbeschwerdeverfahren mit der Frage beschäftigt, ob das Opfer einer vermeintlichen Persönlichkeitsrechtsverletzung von einem Diensteanbieter nach § 14 Abs. 3, 4 Telemediengesetz (TMG) Auskunft über die vermeintlichen Täter verlangen kann.

Worum ging es?

Die Antragstellerin im Rechtsbeschwerdeverfahren begehrt Auskunft über bei der Facebook Inc. vorhandenen Bestandsdaten von drei Nutzern. Diese drei Nutzer haben zwar nicht über die Plattform www.facebook.com, jedoch über den Facebook-Messenger unter anderem verschiedene Textnachrichten an Freunde und Familienangehörige der Antragstellerin verschickt. Diese Textnachrichten enthalten nach Auffassung der Antragstellerin beleidigenden Inhalt sowie unwahre Tatsachenbehauptungen über die Antragstellerin.

Die Antragstellerin begehrte vom Landgericht Frankfurt am Main erfolglos, der Facebook Inc. zu gestatten, der Antragstellerin Auskunft über die Bestandsdaten der fraglichen Nutzerkonten zu erteilen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurück. Es begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 TMG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) nicht eröffnet sei. Der Facebook-Messenger stelle kein soziales Netzwerk dar.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Gestattung weiter.

Wie entschied der BGH?

Der BGH entschied im Sinne der Antragstellerin und stellte unter anderem fest, dass sich § 14 Abs. 3 TMG auf alle Diensteanbieter nach § 2 S. 1 Nr. 1 TMG bezieht. Er verwies den Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, um Feststellungen zu treffen. Es steht nämlich noch nicht fest, ob, wann und an wen von den streitgegenständlichen Nutzerkonten Inhalte versandt worden sind. Ferner ist zu prüfen, ob es sich überhaupt um rechtswidrige Inhalte nach §1 Abs. 3 NetzDG handelte und der Antragstellerin somit ein Auskunftsanspruch überhaupt zusteht.

Verfahrens- und Abgrenzungsfragen

Der BGH hatte sich zunächst mit umfangreichen Verfahrens- und Abgrenzungsfragen zu beschäftigen. Der BGH erachtete die Rechtsbeschwerde vor dem Hintergrund europäischen Verfahrensrechts für statthaft. Des Weiteren bejahte der BGH einen Anwendungsvorrang des TMG vor den entsprechenden Regelungen in der DSGVO und im BDSG. Schließlich entschied der BGH, dass der vorliegende Fall nach der derzeitigen Sachlage dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht vorgelegt werden müsse.

Kern der Entscheidung

Im materiellrechtlichen Kern beschäftigte sich der BGH mit der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, ob § 14 Abs. 3 TMG nur solche Diensteanbieter erfasst, die soziale Netzwerke im Sinne von § 1 Abs. 1 NetzDG betreiben.

Nach § 14 Abs. 3 TMG darf der Diensteanbieter Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist. Diensteanbieter ist nach § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG jede natürliche und juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.

Nach Auffassung des BGH beschränkt sich § 14 Abs. 3 TMG nicht auf soziale Netzwerke im Sinne des NetzDG, sondern gilt für ALLE Diensteanbieter im Sinne von § 2 Nr. 1 TMG. Der Wortlaut von § 14 Abs. 3 TMG ist nicht eindeutig, so dass es auf dessen Auslegung ankommt. Sinn und Zweck der Vorschrift, die Entstehungsgeschichte und ihre systematische Stellung sprechen für eine Auslegung dahin, dass von der Vorschrift alle Diensteanbieter im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG erfasst werden.

Anlass für die Änderung von § 14 Abs. 2, 3 TMG war der vom BGH im Jahr 2014 abgelehnte Auskunftsanspruch eines Verletzten gegen den Betreiber eines Ärzte-Bewertungsportals. Der BGH hatte zur Begründung ausgeführt, dass die Auskunftserteilung rechtlich unmöglich sei, weil eine entsprechende datenschutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage nicht existiere. Diese Ermächtigungsgrundlage möge der Gesetzgeber schaffen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde § 14 Abs. 3 auf Hinweis des Bundesrats lediglich dahingehend eingeschränkt, dass nur die Verwirklichung eines in § 1 Abs. 3 NetzDG aufgeführten Straftatbestandes den Auskunftsanspruch auslösen soll. Im Übrigen soll sich der Auskunftsanspruch aber auf alle Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes erstrecken.

Ferner spräche nach dem BGH auch die systematische Stellung des § 14 Abs. 3 TMG dafür, dass sie alle Diensteanbieter im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 TMG erfassen soll. Wäre die Vorschrift auf den Anwendungsbereich des NetzDG beschränkt, hätte es nähergelegen, sie auch systematisch dort anzusiedeln.

Was bedeutet die Entscheidung für Betroffene?

Die Entscheidung ist für Betroffene eine gute Nachricht, wenngleich man sie nur als „Etappensieg“ bezeichnen kann. Portal- oder Forenbetreiber können ein Auskunftsersuchen nach § 14 Abs. 3 TMG jedenfalls nicht mehr mit dem Argument zurückweisen, kein Betreiber eines sozialen Netzwerks im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG zu sein.

Weiterhin müssen auch mindestens die Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 NetzDG erfüllt sein, nämlich die Verwirklichung eines in § 1 Abs. 3 NetzDG aufgeführten Straftatbestandes.

Quelle: Beschluss Bundesgerichtshof vom 24.09.2019, Az. VI ZB 39/18

Vorinstanzen:    

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.09.2018, Az. 16 W 27/18

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.04.2018, Az. 2-3 O 430/17

GoldbergUllrich Rechtsanwälte 2019

Julius Oberste-Dommes LL.M. (Informationsrecht)

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht

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