Ausgeschaltete Überwachungskameras unterfallen nicht der DSGVO

Die Überwachung von Privateigentum mit Überwachungskameras ist ein berechtigtes Interesse des Eigentümers. In einigen Situationen überwiegen dennoch die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Notfalls kann die Aufsichtsbehörde sogar die Abschaltung der Überwachungskamera anordnen. Sobald die Überwachungskamera allerdings abgeschaltet ist, enden die Möglichkeiten der Aufsichtsbehörde.

Eine abgeschaltete Überwachungskamera unterfällt nicht der DSGVO. Allerdings können sich Rechtsansprüche gegen den Eigentümer aus anderen Anspruchsgrundlagen ergeben.

Darf die Aufsichtsbehörde den Abbau einer Überwachungskamera anordnen?

Der Kläger ist Eigentümer eines mit einem Einkaufszentrum bebauten Grundstücks nebst einer Werbetafel. An dieser Werbetafel waren mehrere Überwachungskameras angebracht, von denen eine den Einmündungsbereich einer Straße zum Parkplatz des Einkaufszentrums bewachte. Die Aufsichtsbehörde ordnete die Abschaltung und den Abbau dieser Überwachungskamera an. Die Datenverarbeitung durch die Überwachungskamera sei rechtswidrig. Der gegen die Abbauverfügung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Eine abgeschaltete Überwachungskamera verarbeite keine Daten, so dass der Anwendungsbereich der DSGVO nicht eröffnet sei. Im Übrigen ermächtige Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO die Behörde nicht zum Erlass einer Abbauverfügung.

Die gegen das Urteil des Verwaltungsgericht eingelegte Berufung zum OVG blieb erfolglos.

Warum unterfällt eine ausgeschaltete Überwachungskamera nicht der DSGVO?

Nach Ansicht des OVG Rheinland-Pfalz handelt es sich bei Videoaufnahmen und deren vorläufiger Speicherung durch eine Überwachungskamera zwar um Datenverarbeitungsvorgänge im Sinne von Art. 4 DSGVO. Von der streitgegenständlichen Überwachungskamera werden personenbezogene Daten jedoch nicht mehr verarbeitet. Der Kläger hatte die streitgegenständliche Überwachungskamera unstreitig abgeschaltet. Die entsprechende Verfügung der Aufsichtsbehörde ist auch bestandskräftig. Das OVG Rheinland-Pfalz stützte seine Rechtsauffassung auch auf entsprechende Ansichten in der datenschutzrechtlichen Literatur und der Datenschutzkonferenz (vgl. Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, Anhang 1 zu Art. 6 Rdnr. 43; ebenso: Datenschutzkonferenz, Orientierungshilfe Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen, 17. Juli 2020, Nr. 1.1, S. 5).

Warum musste der Kläger die Überwachungskamera nicht abbauen?

Das OVG Rheinland-Pfalz teilte die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Aufsichtsbehörde über Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO nur eine Beschränkung der Verarbeitung, nicht aber den Abbau anordnen kann. Art. 58 Abs. 2 lit. f DSGVO ermächtige auch nicht zum Erlass einer Abbauverfügung als „technisch-organisatorische Maßnahme im Verarbeitungsumfeld“. Die Verpflichtung zur Durchführung solcher Maßnahmen besteht nicht isoliert. Sie sind immer im Zusammenhang mit Datenverarbeitungsvorgängen zu sehen. Mangels Datenverarbeitung durch die Überwachungskamera ist kein Raum für technisch-organisatorische Maßnahmen.

Abbau einer Überwachungskamera als Vorsichtsmaßnahme?

Die Aufsichtsbehörde stützte die Abbauverfügung auch darauf, dass sie nicht kontrollieren könne, ob der Eigentümer die Überwachungskamera heimlich wieder anschalte. Diesem Risiko könne nur dadurch begegnet werden, dass die Überwachungskamera abgebaut würde.

Hierzu wandte das OVG Rheinland-Pfalz ein, dass es nach Art. 58 Abs. 6 S. 1 DSGVO jedem Mitgliedstaat freistünde, seine Aufsichtsbehörden neben den in den Absätzen 1 bis 3 aufgeführten Befugnissen mit zusätzlichen Befugnissen auszustatten. Von dieser Öffnungsklausel hat der nationale Gesetzgeber bislang nur in Gestalt von § 40 Abs. 3 S. 3 und Abs. 6 Satz 2 BDSG (vgl. Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, a.a.O., Art. 58, Rdnr. 74), nicht aber im Hinblick auf die Ermächtigung zum Erlass einer Beseitigungsanordnung Gebrauch gemacht.

Kann ich jetzt gefahrlos Überwachungskameras anbringen?

Die Antwort lautet ganz deutlich: Nein!

Folgendes müssen Sie beachten:

–        Sobald Sie eine Überwachungskamera anbringen und einschalten, müssen Sie die DSGVO beachten. Sie müssen ein gut sichtbares Hinweisschild auf die Videoüberwachung außerhalb des Überwachungsbereichs anbringen. Außerdem muss die Überwachung verhältnismäßig sein. Hierzu sind viele Besonderheiten zu beachten. Möglicherweise müssen Sie auch eine Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO durchführen, bevor Sie die Überwachungskamera in Betrieb nehmen.

–        Sollten Sie eine Überwachungskamera zwar anbringen, aber nicht einschalten, ist die DSGVO nicht anwendbar. Verfügungen der Aufsichtsbehörde gerichtet auf Abschaltung oder Abbau werden letztlich erfolglos sein. ABER: Nehmen Sie Anordnungen der Aufsichtsbehörde dennoch nicht auf die leichte Schulter. In der Regel müssen Sie auf Schreiben der Aufsichtsbehörde zumindest dem Grunde nach antworten.

–        Abgeschaltete Überwachungskameras oder Kameraattrappen können dennoch zu Rechtsverletzungen führen, wenn ein „Überwachungsdruck“ vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn Dritte eine Überwachung durch Überwachungskameras oder durch eine Kameraattrappe objektiv ernsthaft befürchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2010, Az. VI ZR 176/09). In diesem Fall wird in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Einzelnen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung eingegriffen. Sie müssten daher mit Abwehr-, Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche von Betroffenen rechnen.

Wie Sie sehen, enthält das Thema Überwachungskameras diverse Fallstricke. Sie sollten sich unbedingt rechtlich beraten lassen, bevor Sie eine Überwachungskamera oder eine Kameraattrappe anbringen.

Quelle:           OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.06.2021, Az. 10 A 10302/21

Vorinstanzen: VG Mainz, Urteil vom 24.09.2020, Az. 1 K 584/19.MZ

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GoldbergUllrich Rechtsanwälte 2021

Julius Oberste-Dommes LL.M. (Informationsrecht)

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